Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

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Bericht in der FAZ über die Syrienreise der Enten

Zwei gute Jahre nach unserer Reise in den Vorderen Orient wurde der Artikel unserer Journalisten-Ente Daniel nun endlich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlicht – immerhin eine halbe Seite groß (siehe oben). Nachfolgend der Text:

Schurkentruppe

„Ente Bagdad“ gegen fünf syrische Nationalspielerinnen: Eine Fußballreise von Mainz nach Damaskus

Das große schmiedeeiserne Tor öffnet sich. „Ente Bagdad“ wird auf das hermetisch abgeriegelte Stadiongelände im Südwesten von Damaskus vorgelassen. Aus Marmor erbaut, verstellt das Stadion al Jala den Blick in die Weite der syrischen Hauptstadt, doch „Ente Bagdad“ hat dafür keinen Blick: Die Hobbyfußballmannschaft aus Mainz steht vor ihrer größten internationalen Prüfung, in einem Stadion, das 25 000 Zuschauer fasst. Ein Märchen wird wahr für die Spieler von „Ente Bagdad“, die sich bei ihrer Gründung in den siebziger Jahren nicht aus politischen Gründen so nannten, sondern weil ihnen Fußballkünste wie aus tausendundeiner Nacht vorschwebten.

In die Umkleidekabine des Stadions al Jala, die mit vergoldeten Wasserhähnen ausgestattet ist, dringen kurz vor Anpfiff Gerüchte. Der Gegner, eine Auswahl Damaszener Künstler und Journalisten um den syrischen Fernsehstar und Enten-Freund Faik Arksusi, soll sich für das erste große Duell zwischen einer syrischen und einer deutschen Auswahl um sieben Nationalspieler verstärkt haben. Das macht die deutschen Gäste nervös. Und so laufen sie mit zitternden Knien aus der Kabine durch das Dunkel des Spielertunnels und steigen 23 furchteinflößende Treppenstufen hinauf ins gleißende Sonnenlicht im Stadion. Sollte ausgerechnet der etwas in die Jahre gekommenen Altherrentruppe die traurige Aufgabe zukommen, die bislang makellose Bilanz deutscher Auswahlmannschaften gegen Syrien – null Siege, null Unentschieden, null Niederlagen – zu trüben?

Hoch über dem Spielfeld wachen auf überdimensionalen Bildern die Mitglieder der Diktatorendynastie, die seit 1970 über das Land herrscht. Der verstorbene Hafiz al Assad und sein autokratisch regierender Sohn Baschar sind nicht gerade dazu angetan, den Mainzer Gästen Mut zu machen. Der Anblick der Gegner gibt der Mannschaft erst mal den Rest: Gleich ein halbes Dutzend Frauen führt er auf das Spielfeld, als es zum Überreichen der Gastgeschenke geht: T-Shirts von Mainz 05, Tipp-Kick-Spiele, Plastik-Enten. „Der Gegner will uns wohl vorführen“, schießt es Ronald Uhlich, dem Trainer der weitgereisten Gäste, durch den Kopf. Er hatte bei seiner taktischen Vorbereitung des ersten Auslandsgastspiels mit allem gerechnet – nur nicht mit einem emanzipierten Gegner. Sogar auf die einzige Frau im Team wollte Uhlich verzichten, um die Gastfreundschaft der Syrer nicht auf die Probe zu stellen. Doch jetzt ist es zu spät. Der Anpfiff ertönt.

Schon in den Tagen vor dem großen Spiel hatte die Fußballerreisegruppe das Gefühl beschlichen, Teil einer großen Inszenierung zu sein. War es vielleicht Propaganda, als die Gäste im südlich von Damaskus gelegenen Bosra, einer Stadt antiker Ruinen und eines beeindruckend gut erhaltenen römischen Amphitheaters, zufällig auf eine Schule stießen und neugierig die Einladung zum kurzen Besuch annahmen? In zwei winzigen Zimmern hatten zusammengekauert rund zwei Dutzend fünf- und sechsjährige Kinder gesessen. Die charmante Lehrerin hatte ihre Schüler ermuntert, die Gäste nett zu begrüßen. „How are you?“, hatte es dann aus den Kinderkehlen geschallt, anschließend zählten die Kleinen stolz „One, two, three“. Sie schafften es bis zehn.

Doch irgendwie hatte alles zu freundlich gewirkt. Zu nett. Zu einladend. War das hier nicht ein sogenannter „Schurkenstaat“? Die Spieler von „Ente Bagdad“ waren so freundlich zum Tee gebeten worden, als hätte sie Franz Beckenbauer persönlich mit seiner Hymne „Gute Freunde kann niemand trennen“ begleitet. Im Namen des Präsidenten Assad wurde den Gästen dafür gedankt, den weiten Weg in den Orient auf sich genommen zu haben. Und immer wieder hatten sie von der Sehnsucht eines Volkes nach mehr Nähe zu Europa gehört. In den Kaffeehäusern von Damaskus jedenfalls vertreiben sich die Jugendlichen ihre Zeit ganz ähnlich wie im Westen. Sie reden laut miteinander, Jungen und Mädchen. Sie rauchen Wasserpfeife und schauen dabei die syrische Antwort auf MTV.

Auch in der Oase Palmyra, der ewigen römischen Ausgrabungsstätte 250 Kilometer nordöstlich von Damaskus inmitten der syrischen Wüste, ging das so freundlich und vertraut weiter. Hier traf „Ente Bagdad“ auf amerikanische Reisegruppen. Sie wurden genauso freundlich willkommen geheißen wie die deutschen Hobbyfußballer und bewunderten die zweitausend Jahre alten Zeugnisse und Ruinen einer der größten Handelsmächte des Römischen Reiches. Die Unterkünfte in der Region hatten mit dem weltbekannten Gütesiegel „Lonely Planet recommended“ geworben. All diese Zeichen und Erfahrungen hatten eine Ahnung davon vermittelt, was für ein Reiseland Syrien werden könnte. Die Mittelmeerküste zum Beispiel ist zweihundert Kilometer lang, wie geschaffen für den Massentourismus, der einem Entwicklungsland und seinen Menschen sehr nützlich wäre.

Kulturtouristen reisen natürlich schon längst hierher, etwa nach Aleppo, in die größte Metropole im Norden Syriens, mit einem der ursprünglichsten Basare des Orients. In Aleppo zeigt sich am deutlichsten, welche religiöse Toleranz das Land an den Tag legen kann – freilich auch ein Ergebnis der an der Trennung von Staat und Religion interessierten Diktatur Assads. In aller Ruhe feiern armenische Christen ihren Gottesdienst in den vielen Kirchen, derweil wenige hundert Meter weiter schiitische Muslime ihrem Propheten huldigen.

Von der unerwarteten Leichtigkeit des interkulturellen Zusammenlebens angefeuert, hatten sich die Bagdad- Enten im Basar von Aleppo Trikots mit dem Vereinsnamen in arabischen Schriftzeichen anfertigen lassen. Am Abend hatten sie die neuen Hemden mit großem Stolz getragen. Dann hatte das ganze Restaurant zu tuscheln begonnen und auf die Fremdlinge gestarrt. Bis schließlich einer der Gäste zum Tisch der Deutschen geschritten war. „Was habt ihr mit Bagdad zu tun?“, hatte er gefragt, und in seiner Stimme schwang ein alarmierender Unterton mit. „Das ist nur ein harmloser Fußballverein aus Deutschland“, beruhigte ihn der Reiseführer, „die heißen nur aus Spaß so.“ Was den Gast erheiterte, lachend kehrte er zu seinem Tisch zurück. „Mit Fußbällen“, sagte er noch, „könnt ihr Westler ruhig kommen, solange ihr eure Bomben zu Hause lasst.“

Der Reiseführer hieß übrigens Dschihad. Dieser Vorname klang in den Ohren der Fußballer natürlich furchterregend, doch auch er war ganz anders gewesen als erwartet. Und was erwartet man schon bei einer Reise in einen Überwachungsstaat wie Syrien, der geschätzte sieben bis fünfzehn Geheimdienste hat. „Wollt ihr in das Nationalmuseum?“, fragte Dschihad, der in den achtziger Jahren in der DDR zum Ingenieur ausgebildet worden war. Die Antwort hatte er sich sogleich selbst gegeben: „Wir gehen dorthin. Das ist syrische Demokratie: Ich frage euch, dann entscheide ich aber ganz allein.“ Dann hatten die Fußballer das Museum aber doch Museum sein lassen und sich lieber auf das Spiel vorbereitet: und zwar in einem der traumhaften, mittelalterliches Flair ausstrahlenden Kaffeehäuser in der Damaszener Altstadt, wo es arabische Köstlichkeiten zu probieren gab.

Es scheint der richtige Weg zum Erfolg gewesen zu sein. Denn am nächsten Tag enteilen die gut aufgelegten Stürmer von „Ente Bagdad“ vom Anpfiff an ihrer Bewachung – die besteht aus insgesamt fünf syrischen Hallen-Nationalspielerinnen – und erzielen Tor um Tor, bis es 4:0 für die Gäste steht. Der Syrer scheint geschockt von so viel geballter Angriffslust. Doch plötzlich vergisst die Entenabwehr ihre deutschen Tugenden, gibt sich gönnerhaft, weil man nach arabischer Sitte den Gastgeber nicht auf eigenem Boden düpieren darf, und unversehens gleicht der Gegner aus: 4:4 zur Pause. Am Ende reichte es aber für die Gäste aus dem Abendland zu einem 9:7. Das war das wahre Wunder von Damaskus.  

DANIEL MEUREN

Direktflüge von Frankfurt/Main nach Damaskus bietet die Syrian Arab Airline ab 450 Euro (www.syriaair.com). Mit Zwischenstopps fliegen Alitalia und Austrian Airlines zu günstigeren Tarifen. Für Syrien gilt Visumpflicht (40 Euro). Veranstalter wie Studiosus oder Gebeco bieten Studienreisen nach Syrien an. Über die Fußballreise der „Ente Bagdad“ ist mehr unter www.ente-bagdad.de zu lesen.

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 08.04.2007, Nr. 14 / Seite V2

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