Mainzer Erinnerungswochen

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Podiumsgespräch mit Oswald Marschall

(Mainz – Edgar L.) Ein Schwerpunkt der diesjährigen Mainzer Erinnerungswochen waren Sinti und Roma. Etwa 500.000 Sinti und Roma waren dem NS-Terror zum Opfer gefallen. Laut einer von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Jahr 2014 durchgeführten repräsentativen Umfrage würde jeder dritte Deutsche eine direkte Nachbarschaft mit einem Sinto und Roma als eher oder sehr unangenehm empfinden. Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Ablehnung bereiteten laut der damaligen Leiterin der Antidiskriminierungsstelle den Boden für Diskriminierungen bereiten.

Der FC Ente Bagdad möchte durch Aufklärung zum Austrocknen dieses Nährbodens beitragen und lud am 29. Januar zum Offenen Podiumsgespräch mit Oswald Marschall in das Mainzer Haus des Erinnerns ein.

Hier konnte jede/r Interessierte mehr über Sinti und Roma erfahren und einem charismatischen Vertreter dieser Gruppe Fragen stellen. Oswald Marschall ist u.a. Referatsleiter im Zentralrat deutscher Sinti und Roma sowie Stellvertretender Vorsitzender des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma.

Oswalds erstes Ziel war es, seine Zuhörer über den weitläufig für Sinti und Roma verwendeten Begriff Zigeuner aufzuklären. Dieser Begriff war nie die Eigenbezeichnung von Sinti und Roma, sondern wurde von Außenstehenden oft diskriminierend verwendet. Er wurde oft mit fahrendem Volk und Kriminalität assoziiert („Zieh-Gäuner“). Oswald verwies auf Einschätzungen offizieller Stellen, aufgrund derer von den wahrscheinlich ca. 100.000 in Deutschland lebenden Sinti und Roma schätzungsweise 95% sesshaft sind.

Auch kulturell identifizieren sich viele Sinti und Roma mit der deutschen Kultur. Auch wenn ihre Wurzeln in Indien liegen, leben diese Menschen nachweislich schon seit über 600 Jahren in Deutschland. Für viele Sinti ist Deutschland ihre Heimat und Deutsch ihre Muttersprache. Sie pflegen deutsche Bräuche, sind oft in Vereinen aktiv und legen Wert auf Bildung. Sinti grenzen sich diesbezüglich von oft aus Süd- und Osteuropa stammenden Roma ab, deren deutsche Geschichte viel kürzer ist und die sozial und kulturell dementsprechend oft noch Nachholbedarf bzgl. Integration haben.

Oswald bedauert, dass viele integrierte Sinti sich nicht als solche zu erkennen geben, um Vorurteile abzubauen. Er sieht in der Angst vor Diskriminierung den Grund dafür. Es gab und gibt Beispiele der Diskriminierung im Sport, in der Kultur oder im Alltagsleben. Oswald konnte diesbezüglich aus eigenen Erfahrungen aus seiner Boxkariere berichten.

Die eigene Sprache, Romanes, wird – auch aufgrund negativer Erfahrungen im Nationalsozialismus – weiterhin weitestgehend vor Fremden geheim gehalten und nicht schriftlich festgehalten. In diesem Zusammenhang möchte der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma Aufklärungsarbeit leisten und den Dialog zwischen Sinti und Roma sowie der Mehrheitsgesellschaft fördern. Das Sinti und Roma-Denkmal zum Gedenken der im Dritten Reich getöteten ca. 500.000 Sinti und Roma in Berlin und das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg sind diesbezüglich sichtbare Zeichen.

Dieser Abend hat zum Abbau von Vorurteilen und zum Aufbau von Verständnis beigetragen. Wir Enten freuen uns schon auf einen folgenden Besuch des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg.

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