Klubs übernehmen soziale Verantwortung: Sport dient als wichtiger Integrationsfaktor für Flüchtlinge
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Zeitungsartikel aus der Allgemeinen Zeitung Mainz
(Von Torben Schröder) MAINZ - Eine halbe Million? Eine dreiviertel Million? Egal, auf jeden Fall sind es viele Menschen, die dieses Jahr in der Hoffnung auf Asyl nach Deutschland kommen. Jeder bringt seine Geschichte, seine Hoffnung, mancher sein Trauma – und sein besonderes Talent mit. Die hiesigen Vereine haben längst erkannt, welche soziale Herausforderung darin liegt und welch großes Reservoir an Nachwuchssportlern unverhofft vor der Tür steht.
Ein Bündnis aus FSV Mainz 05 und dem Freizeit-Fußballklub FC Ente Bagdad beispielsweise hat jüngst eine Trainingsgruppe für Asylbewerber eröffnet, 18 Fußballer unter anderem aus Syrien, Afghanistan und Ägypten standen beim Auftakttraining gemeinsam in Sportkleidung des Bundesligisten auf dem Feld in Bretzenheim. Das Ziel der Kampagne „Willkommen im Fußball“ ist, dass Profiklubs in ganz Deutschland ein solches Angebot vorhalten. Doch beim Training soll es nicht bleiben: So haben die Kicker die Möglichkeit, sich bei Vitesse Mayence auch im Ligabetrieb auszutoben.
Voraussetzung dafür ist indes eine Spielberechtigung. „Auch wenn immer wieder Beschwerden kommen, wie lang es dauert – wir müssen das Prozedere jedes Mal aufs Neue starten“, sagt Franz-Josef Kolb, Spielbetriebsleiter im Südwestdeutschen Fußballverband (SWFV). Wenn ein Flüchtling im hiesigen Amateurfußball mitmischen möchte, muss er zunächst Passantrag, Identitätsnachweis und internationalen Vereinswechselantrag beim SWFV vorlegen. „Wir schicken die Unterlagen zum DFB“, berichtet Kolb, „der fragt dann beim jeweiligen Landessportverband nach.“ Doch in Syrien, Afghanistan oder Somalia „haben sie andere Probleme“, sodass eine Rückantwort meist ausbleibt. „Nach 30 Tagen wird dann automatisch die Freigabe erteilt“, so Kolb, „dann dürfen die Verbände eine vorläufige Spielerlaubnis erteilen.“
„Es werden immer mehr“, berichtet Kolb, „und das ist auch gut so. Denn wo kann man schneller Kontakt finden als im Verein?“ Bürokratische Probleme gebe es im Prinzip nur, wenn Minderjährige ohne ihre Eltern den Antrag stellen: „Dann brauchen wir einen Betreuer, der dokumentiert, dass er die Verantwortung übernimmt.“ Nach der meist 30-tägigen Wartezeit kann es direkt losgehen – so, wie bei den zehn Flüchtlingen, die seit Frühjahr beim FV Budenheim in der zweiten Mannschaft spielen. „Sie helfen uns spielerisch weiter“, sagt der Vorsitzende Peter Seliger. Zuletzt standen gegen Essenheim II vier Somalis, die auf Vermittlung der Ortsgemeinde zum FV kamen, in der Startelf.
Im höherklassigen Amateurbereich stehen solche Erfolgsgeschichten noch aus. Die Vermittlung von Spielern durch die Stadt, ähnlich wie in Budenheim, gab es zumindest beim TSV Schott Mainz noch nicht, wie Vereinsmanager Till Pleuger erläutert. Beim TSV wurden Flüchtlingskinder bislang im Sommercamp betreut und sollen in die Jugend-Fußballschule integriert werden. „Wir wollen das nachhaltig machen“, so Pleuger. Ins Camp kamen vorwiegend Flüchtlinge vom Balkan, die nur geringe Aussichten auf Anerkennung haben. Sie in feste Mannschaftsstrukturen zu integrieren erscheint weniger ratsam. „In der Fußballschule haben wir eine Art Kurssystem, wo sie mitmachen können, es aber dem Teamgefüge nicht schadet, wenn sie plötzlich wieder weg sind“, erklärt Pleuger, dem klar ist: „Genauso wie Inklusion, wird das ein Thema für die nächsten Jahre sein.“
Die Verbände reagieren darauf. 600 000 Euro hat die Egidius-Braun-Stiftung des DFB mit dem Projekt „1:0 für ein Willkommen“ für die Vereinsarbeit mit Flüchtlingen ausgelobt. Der Rheinhessische Turnerbund wird in Kürze einen Vereinspreis „Integration und Willkommenskultur im Turnverein“ ausloben – zwei Beispiele unter vielen. „Damit wollen wir Best-Practice-Beispiele präsentieren“, berichtet RhTB-Geschäftsführer Carsten Petry.
Ob Schnupperstunden in Flüchtlingsheimen oder kostenfreie Vereinsmitgliedschaft für Asylanten – in Mainz und Umgebung tut sich einiges. 30 bis 50 Kinder und Jugendliche kommen Woche für Woche bei einem Flüchtlingsprojekt des ASC Theresianum Mainz zum Basketballtraining. Dafür gab es unlängst den Stern des Sports in Bronze. „Es sind einige interessante Talente dabei“, sagt Damen-Trainer Alexander Schoch, „wir gucken, inwieweit man aus dieser Gruppe Spieler in den Jugendmannschaften des Vereins integrieren kann.“ Die eigentliche Intention des Projekts sei indes eine andere gewesen: „Integration im Sport macht es den Kindern viel einfacher, in der Gesellschaft anzukommen.“
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