Frankfurter Rundschau - Mainz - Nürnberg: Mehr Bolzplatz als Bundesliga

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Eingeschlafene Füße

Die Frankfurter Rundschau veröffentlicht einen Spielbericht Mainz 05 gegen 1. FC Nürnberg und erwähnt am Ende auch die Stadionaktion.

Hier kommt der Text von Jan Christian Müller, das Foto ist © dpa:

Mainz 05 besiegt den 1. FC Nürnberg 2:1 und debattiert über den Videoassistenten.

Der Mainzer Rechtsverteidiger Daniel Brosinski ist legendär für seine mutigen Läufe an der Linie entlang nach vorn, für zuverlässige Verwandlung von Strafstößen – und für eine leider ebenso zuverlässige Streuung bei seinen Flanken, die gerne auch mal im Hintertorraum landen. Am Samstag beim 2:1 (1:1)-Sieg über den 1. FC Nürnberg wurde der blonde Bursche seiner Elfmetertauglichkeit gerecht, er erzielte das 1:0 von ebendort schon in der Anfangsphase. Aber diesmal gelang Brosinski in der 73. Spielminute nach einem wunderbaren Tiefenlauf und ebenso wunderbaren Pass seines Mitspielers Kunde sogar auch eine präzise Hereingabe, die Robin Quaison sodann zum Siegtreffer nutzte.

Das Besonderes dabei war folgende Begebenheit, die Brosinski später offenbarte: Er habe, berichtete der 30-Jährige, eigentlich kaum noch Gefühl im rechten Fuß gehabt, „der fühlte sich an wie eingeschlafen“. Was daran lag, dass Brosinski schon nach ein paar Minuten von seinem Mitspieler Stefan Bell empfindlich dabei gestört wurde, einen Ball zurück zum eigenen Torwart Florian Müller zu spielen. Bell wollte das Spielgerät gleichzeitig nach vorne verfrachten, am Ende trafen sich die Füße der Kumpels heftig. Beide mussten behandelt werden, es sah verdächtig nach Bolzliga aus, aber es war Bundesliga.

Viel besser wurde das Ganze dann im weiteren Verlauf auch nur in Nuancen. Nuancen waren es auch, die die Mainzer nach dem Ausgleich der weitgehend harmlosen Franken durch Georg Magreitters Kopfball davor bewahrten, nach 62 Minuten in Rückstand zu geraten. Der ausnahmsweise mal in die Spitze gestoßene Nürnberger Adam Zrelak jubelte zu früh über sein Tor, der Videoassistent Marco Fritz kassierte den vermeintlichen Treffer. Nach Auswertung der Szene mit den sogenannten kalibrierten Linien befand sich Zrelaks um einen halben Fußbreit näher zum Tor als der Kopf des letzten Mainzer Abwehrspielers Alexander Hack.

Ärger über den Unparteiischen

„Wir wurden beraubt heute“, ärgerte sich der Nürnberger Enrico Valentini später im Gespräch mit der Presse. Er hätte sich ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl beim Unparteiischen gewünscht. Nur gibt es bei diesen faktischen Entscheidungen keinen Platz für Gefühl, darauf verwies zu Recht auch Fernseher-Schiri Markus Merk bei Sky. Komisch allerdings, dass die vorliegenden TV-Bilder den Moment des Abspiels nicht zeigten. Das wäre für die Beweisführung fürs breite Publikum zweifellos nachvollziehbarer gewesen als die vorgelegte Nahaufnahme.

Trainer Michael Köllner ärgerte sich entsprechend. „Ballabgabe und Schütze sind nicht gleichzeitig zu erkennen gewesen“, monierte er und wirkte beleidigt, „da begeben wir uns auf dünnes Eis, aber anscheinend wollen wir dieses dünne Eis.“ Der Grundsatz eines Videobeweises sei ad absurdum geführt worden. Nun muss man einem Trainer eines Tabellenletzten sicherlich ein wenig mehr Raum für Frust zugestehen. Die drei Punkte, die fünf oder sechs Zentimeter dem Club hätten bescheren können, fehlen besonders schmerzlich auf dem nur mit elf Zählern beladenen Konto.

Die Mainzer ihrerseits sind nach dem zweiten Sieg im neuen Jahr in Folge ordentlich dabei und haben sogar den selbsternannten Europa-League-Aspiranten Werder Bremen überholt. Es müsste schon einiges passieren, sollte Mainz 05 zum dritten Mal in Folge noch in Abstiegsgefahr geraten. Weiter nach oben dürfte es für die laut „Süddeutscher Zeitung“ wohl am meisten unterschätzte Mannschaft der Bundesliga aber auch nicht gehen. Man sollte sie nämlich auch nicht überschätzen. Die Leistung gegen insgesamt doch schwache Nürnberger wurde hinterher hier und dort ein wenig schöngeredet. Denn wer gegen das Schlusslicht einen ganz knappen Videobeweis braucht, um nicht nach einer guten Stunde in Rückstand zu geraten, hat zumindest bis dahin nicht viel richtig gemacht. Danach wurde es etwas besser. Immerhin. 22 000 Menschen waren zum Zuschauen ins Mainzer Stadion gekommen. Mehr hatte dieses Spiel der eingeschlafenen Füße auch nicht verdient gehabt.

Geballte Dummheit

Mehr als tausend Nürnberger Ultras im Gästeblock waren betrüblicherweise nicht in der Lage, vor dem Anpfiff einige Minuten den Mund zu halten und anlässlich des Gedenkens an die Gräueltaten des Nationalsozialismus den Opfern zu gedenken. Die kurzen Ansprachen von Ministerpräsidentin Malu Dreyer, des Nürnberger Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Grethlein und des Mainzer Vereinschefs Stefan Hofmann wurden durch lautstarke Gesänge ausgerechnet von Fans aus jener Stadt gestört, deren Heimatarena unmittelbar an das ehemalige Reichsparteitagsgelände grenzt. Der Capo (Vorsänger) des Clubs trieb die Ultras immer wieder an. Die Mainzer Anhängerschaft verhielt sich vorbildlich.

 

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