Ente Bagdad multikulturell – Artikel in der Rhein Zeitung

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Integration – Großer Pressebericht mit Foto in der Rhein Zeitung

FC Ente Bagdad kickt ganz multikulturell

Fußballfreunde Verein aus Mainz steht für Weltoffenheit und integriert Flüchtlinge

Mainz. Weltoffen war der FC Ente Bagdad eigentlich schon immer. Spieler aus Bolivien, Frankreich, Marokko und vielen anderen Ländern gehörten schon zu den Spielern der Mainzer Hobby-Fußballmannschaft. Für ihre Integrationsarbeit wurden die Enten schon mehrfach ausgezeichnet. 2006 verlieh das Land Rheinland-Pfalz ihnen den Europa-Sonderpreis, 2010 ehrte das Magazin Querpass die Enten mit der Respekt!-Auszeichnung, wozu auch die damalige Staatsministerin Doris Ahnen gratulierte. In diesem Jahr gingen die Enten noch einen Schritt weiter. Sie nahmen nicht nur Spieler aus fremden Ländern auf, die bei ihnen vorstellig wurden, sondern gingen ganz bewusst auf eine Gruppe von Asylbewerbern zu, die in Mainz untergebracht sind.

„Wir hatten immer Ausländer dabei“, sagt FC-Gründungsmitglied Werner Pilsner. „Das waren aber Leute, die bereits integriert waren. Da haben wir uns gedacht: Warum sollen wir nicht auch mal Flüchtlinge ansprechen?“ Über die Caritas stellten die Enten den Kontakt zu der Gruppe her. Ronald Uhlich, der von den Freizeitkickern zum Coach auf Lebenszeit ernannt worden war, fuhr im Januar in die Unterkunft nach Mombach. „Wir haben sie angesprochen, und sie waren mit Begeisterung dabei“, erzählt Pilsner. Doch bei der Einladung zum Mitspielen beließ es der FC nicht. Er musste aus Kapazitätsgründen die Zahl der Neu-Enten auf sieben begrenzen, doch die stattete er von Kopf bis Fuß mit der entsprechenden Sportkleidung aus. Zum Teil waren die Trikots, Hosen und Fußballschuhe schon gebraucht, zum Teil kauften die Mitglieder ihren Neuzugängen auch die Utensilien. Die Flüchtlinge sind offiziell als Mitglieder angemeldet, damit sie im Verletzungsfall versichert sind. Beitrag müssen sie nicht zahlen. Das übernehmen die Enten. Das soziale Engagement ist beim FC Programm. Schließlich heißt das Vereinsmotto „You'll never watschel alone“.

Dreimal wurden die Flüchtlinge mit dem Auto abgeholt und zur samstäglichen Kickerei – im Vereinsjargon Training genannt – nach Bretzenheim gefahren. Dann kannten die Ägypter und Syrer den Weg. Jetzt kommen sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit Fahrrädern. „Wir wollten Leuten, die in Deutschland noch nicht Fuß gefasst haben, eine Brücke bauen“, erläutert Mustapha Smail. Der Algerier lebt seit 30 Jahren in Deutschland, ist mit einer Österreicherin verheiratet, ist schon seit Ewigkeiten eine Ente und arbeitet als Dolmetscher. Auch den neuen Mitspielern hilft er als Übersetzer. „Als wir 1973 angefangen haben, gab es noch nicht so viele Immigranten. Aber wir hatten damals schon das weltoffene Hippie-Gen“, sagt Werner Pilsner.

Der Ton ist locker in der Runde. Es wird geflachst. „Inzwischen verstehen sie schon ganz gut Deutsch“, sagt Smail. „Tore schießen können sie. Aber das Wort ,abgeben’ verstehen sie noch nicht.“ Beshoy ist seit sechs Monaten in Deutschland. Der 20-jährige hat auch in Ägypten, seinem Heimatland, in einer Hobbymannschaft gespielt. „Es ist wichtig für uns, Spaß zu haben, Leute kennenzulernen und Deutsch zu lernen“, sagt Beshoy. „Viermal in der Woche nehmen wir an einem Sprachkurs teil. Manchmal ist es aber eintönig. Da ist der Sport eine schöne Abwechslung. Ich liebe Fußball. Wir würden jeden Tag mitspielen.“ Auch an den Freundschaftsspielen haben die Zugänge schon teilgenommen. Da werden auch persönliche Erfolge sehr genau registriert. Beim 3:3 auf dem Lerchenberg gegen die Lerchen schoss Mena, ein weiterer Ägypter, sein erstes Tor für den FC.

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Samstag Spiel gegen Tibeter

Der sportliche und kulturelle Austausch mit Teams aus und in anderen Ländern ist fester Bestandteil des Entenjahres. Highlight 2013 war ein Besuch in Zürich mit Spiel gegen das Team FC Himalaya mit in der Schweiz lebenden Tibetern. Nun steht über Pfingsten der Besuch der tibetischen Freunde in Mainz an. Neben einem Kulturprogramm ist ein Freundschaftsspiel geplant: am Samstag, 7. Juni, um 16.30 Uhr in der „Enten-Arena“ in Mainz-Bretzenheim (Sportstätte von Vitesse Mayence). Dieses Spiel bietet zudem einen weiteren besonderen Aspekt der Bemühungen um Völkerverständigung und Integration. Anfang 2014 hat Ente Bagdad eine Fußballpatenschaft für mehrere in der Zwerchallee wohnende Flüchtlinge aus Ägypten und Syrien übernommen. Einige davon werden beim Spiel gegen den FC Himalaya mitmachen. Die rheinland-pfälzische Ministerin für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen, Irene Alt, ist als Schirmherrin dabei.

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40 Jahre einer besonderen Vereinsgeschichte

Im Vorjahr feierte der FC Ente Bagdad 40-jähriges Bestehen. Schüler gründeten 1973 den Verein. Von Anfang an stand fest, dass die Mannschaft sich nicht in den organisierten Fußball eingliedern wollte, weder in einer offiziellen noch in einer sogenannten Bunten Liga. Die Wahl des Vereinsnamens hat nichts mit einer Affinität der damaligen Pennäler zum Nahen Osten zu tun. „Wir waren etwas von den 68ern angehaucht“, sagt Ronald Uhlich, ein Gründungsmitglied. „Wir wollten uns abheben von den stinknormalen Vereinen und wollten auch keine Thekenmannschaft sein.“ Ähnliche Zusammenschlüsse von Hobbykickern sprossen damals Rhein-Main: Kultur und Freizeit aus dem Boden. Satan Weisenau und Alligator Gonsenheim dienten den Schülern als Vorlage. Drei Vorschläge blieben am Ende übrig: Barfuß Bethlehem, Schildkröte Damaskus und eben Ente Bagdad. „Bagdad war für uns das Synonym für Tausendundeine Nacht“, sagt Uhlich. „Wir wollten märchenhaft Fußball spielen.“ Zwischen 12 und 18 Freundschaftsspiele tragen die Enten inzwischen pro Jahr aus. Sie unternehmen auch Reisen. Sie waren in Marokko, haben mittlerweile auch den Nahen Osten kennengelernt. Selbst in Syrien, im Al-Jala- Stadion von Damaskus (Fassungsvermögen: 25 000 Zuschauer) spielten die Enten schon.

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Als Nachtrag noch eine sympathische Geschichte, wie man sie besser nicht erfinden kann. Auch hier stammt der (E-Mail-)Text im Original von Gert Adolphi, dem Redakteur und Fotografen der Rhein Zeitung.

Hallo Herr Uhlich,

hier erst einmal die Fotos. Nicht über den Dateinamen (Blindenfußball + Ente Bagdad) wundern. Ich hatte zwei Termine nacheinander. Zuerst auf dem Gutenbergplatz die Blindenfußball-Bundesliga, dann bei euch. Also landeten die Fotos in einem Ordner. Für Spielbilder war ich zu schlecht ausgerüstet. Ich hatte das Tele zu Hause gelassen. Da ich dann etwas zu spät war, musste ich warten, bis das „Training” vorbei war. Aus Langeweile habe ich ein paar Fotos geschossen, die aber nicht wirklich etwas taugen.

Viele Grüße, Gert Adolphi

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